Großer Diskussionsbedarf auf der Inforveranstaltung des SPD-Ortsverband am Wieselweg.
Infoveranstaltung vor Ort
Ein rot-weißes Absperrband am Wieselweg umrahmt eine große Fläche. Sie zieht sich vom Containerkindergarten am Beachvolleyball- Feld entlang bis zum Weg, der am eingezäunten Spielplatz führt und an der Straße endet. Damit will der SPD-Ortsverband den Anwesenden ihrer Infoveranstaltung die Fläche vor Augen führen, auf der eine großzügige, eingeschossige Kindertagesstätte in L-form in hybrider Holzbauweise entstehen soll – zu Lasten spielender Kinder und freizeitsuchender Anwohner aus dem Jagfeld, kritisiert der Ortsverband scharf. Unstrittig sei der dingende Bedarf neuer Kitas, aber Haar habe Besseres verdient. „Als wir die Pläne gesehen hatten, war der Aufschrei bei uns groß und wir haben den Antrag gestellt Flächenfraß zu verhindern und zweigeschossig zu planen“, erklärt SPD-Stadtrat Peter Schießl. „Der Antrag wurde abgelehnt.“
Denkbare Alternativen
Zwar habe die Verwaltung ebenfalls eine Informationsveranstaltung für die betroffenen Bürger eingeladen: „Da waren aber nur 16 Nachbarn. Das erachten wir als zu wenig, denn es geht ja um die Fläche, die das gesamte Areal betrifft“, so Schießl, der die Argumente gegen eine zweigeschossige Bauweise nicht verstehen kann: „Das wird mit den höheren Kosten für einen Aufzug und dass ein zweigeschossiges Gebäude nicht ins Jagdfeld passen würde, begründet. Wenn man das Jagdfeld aber, anschaut, sind die Gebäude in verschiedenen Höhen gebaut.“ Aus der Zuhörerschaft meldet sich Florian Stöckle: „Ich bin selbst hier groß geworden. Viele Menschen sind gegen den eingeschossigen Plan“, weiß Stöckle. Der Initiator einer Online-Petition mit inzwischen 450 Unterschriften, ist fest überzeugt: „Ich denke, dass wir andere Flächen haben, die wir nutzen können. Etwa den Fußballplatz, den eigentlich nur ein paar Hundebesitzer nutzen.“
Da geht mehr
Schützenhilfe erhält er von einem weiteren Zuhörer, der seinem offenbaren Ärger Luft macht: „Ich habe erst durch Flugzettel von der Planung erfahren. Als gelernter Stadtplaner muss ich sagen, dass das städtebaulich eine Katastrophe wäre. Wie kann man so irrsinnig sein, eine so wertvolle Fläche zuzubauen?“ Er wolle den zuständigen „Kollegen der Bauabteilung nicht zu nahetreten“, aber es gehe „deutlich besser“: „Das kostet ein bisschen Geld, aber es ist eine Investition, über die wir noch in 50 Jahren froh sind. Und wenn kein Geld da ist, muss man´s beschaffen oder Projekte priorisieren.“ Auch Katharina Dworzak, Haar dritte Bürgermeisterin ist Städteplanerin und betont: „Zweigeschossig ist platzsparender, die ruhigeren Räume könnten hin zur Wohnbebauung. Es hätte wirklich viele Vorteile, die Planung noch einmal anzupacken und offen zu bleiben und nicht nur die schnelle Bauweise bevorzugen.“
Kein Alleingang
Indes zeigt sich der anwesende Bürgermeister Andreas Bukowski vom Vorgehen des Ortsverbands irritiert: „Wir haben den Beschluss zur Fläche am Wieselweg getroffen. Bei meinem politischen Einstieg wurde zurecht angebracht, demokratisch mit der Mehrheit gefällte Beschlüsse, mitzutragen. Diese Entscheidung haben wir ja zusammen gefällt.“ Nach der Besichtigung verschiedenster Flächen und Grundstücke stehe die erdgeschossige Lösung am Wieselweg als günstigste fest. Immerhin spare Haar rund 800 000 Euro im Vergleich zu einem zweigeschossigen Bau. „Ja, eingeschossig nimmt etwa 400qm mehr Fläche weg, aber als ich die 16 Anwohner fragte, welchen Bau sie bevorzugen, sprachen sie sich für den eingeschossigen aus, da das andere ein großer Klotz sei.“ Aus Bukowskis Sicht biete er weitere Vorteile wie „verminderte Lärmentwicklung“, auch ein Fahrstuhl brauche es dann nicht – Aspekte mit pädagogischen Vorteilen: „Die pädagogische Referentin hat sich eindeutig für einen eingeschossigen Bau ausgesprochen, vor allem aber geht es deutlich schneller und wir brauchen diese Plätze.“ Schade fände er, von einer „Container- Kita“ auf den Flugblättern erfahren zu müssen: „Die hybride Bauweise ist qualitativ hochwertig, sagte auch die damals noch amtierende Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Das wollen wir hier machen. Falls wir irgendwann doch ein anderes Grundstück zur Verfügung haben, können wir die Kita hier abbauen und dort wieder errichten.“
»Wir haben den Beschluss zur Fläche am Wieselweg getroffen.
Bei meinem politischen Einstieg wurde zurecht angebracht, demokratisch mit der Mehrheit gefällte Beschlüsse, mitzutragen.
Diese Entscheidung haben wir ja zusammen gefällt.«
Andreas Bukowski, Bürgermeister Haar
Offen bleiben
Helmut Dworzak, Haars ehemaliger und langjähriger Bürgermeister (SPD) hält dagegen und erzählt von dem „enormen Kampf“ mit einem Bauträger vor 50 Jahren die große, zentrale Grünfläche zu erhalten: „Man sieht, wie sehr Menschen diese Fläche nutzen, ob die Kids Fußballspielen oder Familien Picknicks machen. Es kann mir niemand erzählen, dass es keine Alternativen gibt, man muss halt a bisserl flexibel sein. Wer glaubt denn, dass man mit diesem Aufwand einen Kindergarten hinstellt, den man dann in den nächsten Jahren ab- und woanders aufbaut?“ Auch das Argument der Pädagogik lässt er nicht gelten: „Wenn man in andere zweigeschossige Kindergärten geht, haben die Kinder ihre eigenen Welten im zweiten Stock. Mir ist es ein absolutes Rätsel, warum wir nicht flächensparend bauen und das mit dem Lärmschutz ist auch falsch, weil ich Lärm mit einem höheren Gebäude deutlich besser wegbringe.“
Nach wie vor Diskussionsbedarf
Der Mehrheitsbeschluss sei tatsächlich da, meint schließlich Peter Schießl, weiteres habe das Gremium aber nicht diskutiert: „Wir glauben, dass es sinnvolle Alternativen gibt, über die wir reden müssen. Das würden wir dann nicht so schnell schaffen, aber wir planen eben für einen langen Zeitraum.“ Einen ersten Ansatz zu Gesprächen gibt es inzwischen. Auf der Bürgerinformationsveranstaltung ein paar Tage später, zeigt sich Rathauschef Bukowski gesprächsbereit und sagt Florian Stöckle einen Termin zu.
Für Sie berichtete Manuela Praxl.