Neues Theaterprojekt des EMG setzt sich mit Euthanasie auseinander

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STIMMEN: “Der Mensch hat keinen Wert, sondern Würde”, 30 junge Menschen zwischen elf und 25 Jahren des EMG-Theaterprojekts, beschäftigen sich unter der Gesamtleitung von Thomas Ritter mit Euthanasie in der “Heil- und Pflegeanstalt Haar”.

STIMMEN – Bedrückend und furchterregend

„Schwachsinnig, unzurechnungsfähig, erbkrank“, dazu Namen und ein kurzer charakterisierender Satz von Opfern der systematischen Tötung in der NS-Zeit. Es sind Frauen und Männer, Kinder und Alte, die im menschenverachtenden Regime keinen Nutzen für die Gesellschaft haben. 30 junge Menschen zwischen elf und 25 Jahren des EMG-Theaterprojekts, nehmen unter der Gesamtleitung von Thomas Ritter, ihr Publikum zur Premiere im kbo, der früheren Heil- und Pflegeanstalt Haar, mit auf eine beklemmende Reise in eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte. STIMMEN ist ein Theaterprojekt, das sich nach einem langen und herausfordernden Rechercheprozess mit der Euthanasie auseinandersetzt.

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Staatlich angeordnet: Schalten und Walten nach Belieben

„Der Mensch hat keinen Wert, sondern er hat Würde“, stellt eine Akteurin laut fest. Eine klassische Bühne gibt es nicht, vielmehr vier Schauplätze, die ein Viereck bilden. In der Mitte des Geschehens sitzen Zuschauer auf Papphockern und erfahren plötzliche Willkür am eigenen Leib, müssen Befehle ausführen, wie aufzustehen sich wieder zu setzen. Eindringlich verdeutlichen die Darsteller in einzeln und Gruppen gesprochenen Sätzen, Worten oder Satzfragmenten Texte, Ausschnitte aus Krankenakten oder das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14.Juli 1932. Es beinhaltet die Legitimation zur Sterilisation erbkranker Menschen, „wenn unter großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass seine Nachkommen an schweren körperlichen oder geistigen Erbschäden leiden werden.“ Damals fallen darunter Krankheiten wie „angeborener Schwachsinn, erbliche Fallsucht (Epilepsie) erblicher Veitstanz, erbliche Blindheit, erbliche Taubheit oder körperliche Missbildungen.“

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Erbarmungslose Machtdemonstration

Auch das Nachzeichnen der Geschichte von Patienten wie Helmut Silberberg, verdeutlicht die grausame Ideologie und Skrupellosigkeit im Nationalsozialismus. Die verschiedenen Stationen seines kurzen Lebens, stellen mehrere Projektmitglieder dar. Der Junge wächst in Hannover auf. Sein Vater stirbt früh, für den Zehnjährigen folgt eine schwierige Zeit. Später beschreibt Silberberg, er könne sich nicht erinnern seither gespielt oder gelacht zu haben. Er glaubt, der Mensch könne nicht lachen. Helmut begeht einen Suizidversuch nach dem Umzug seiner älteren Schwester nach Palästina. Er überlebt und landet schließlich, nach Aufenthalten in verschiedenen Einrichtungen, in die Heil- und Pflegeanstalt Haar. 1938 sollen alle polnischen Bürger innerhalb von 24 Stunden das Land verlassen. Helmut Silberberg ist polnischer Staatsangehöriger, gilt bereits seit längerem als entlassungsfähig, doch der Anstaltsleiter verweigert sie. Eine Entlassung könne nur erfolgen, wenn ihn die Mutter persönlich abhole. Verzweifelt schreibt er und betet darum mit Mutter und Schwester in Palästina noch einmal zusammen sein zu können. Ein Wunsch, der sich nicht mehr erfüllt.

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Auch Kinder unter den Getöteten

STIMMEN ist nach „Spurensuche“ das zweite Stück der EMG-Theatergruppe, das sich mit den Verbrechensopfern der Euthanasie, darunter auch viele Kinder, der „Heil- und Pflegeanstalt“ zwischen 1941 und 1945 auseinandersetzt. Die regimegeschützten Täter töten alleine in Haar mehr als 4000 Menschen.

Für Sie berichtete Manuela Praxl.

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