Bürgermeister Andreas Bukowski zieht in der Informationsveranstaltung Bilanz zum Stand der Dinge in Haar.
Was läuft, wo hakt´s?
Rund 80 Menschen sitzen im Bürgerhaus und weitere 100 verfolgen via Bildschirm den Ausführungen von Rathauschef Andreas Bukowski, der zum Stand aktueller und anstehender Projekte der Stadt informiert. Bevor er loslegt, schaut er noch einmal auf die Ernennung Haars zur Stadt zurück. „Der Titel ist der Lorbeerkranz und Ernte von zwei Jahren intensiver Arbeit“, stellt Bukowski fest, bevor er die wichtigen Themen anspricht. Haar sei auf dem Weg zur „Circular City“, dabei sei das „Cradle to Cradle“- Prinzip der “Königsweg der Kreislaufwirtschaft”.
Warum das so wichtig sei, will Bukowski einmal mehr verdeutlichen. Die Endlichkeit der Ressourcen auf Planet Erde fordern sorgfältigen Umgang. „Es geht darum sie möglichst wiederverwenden zu können“, betont Bukowski. „Ressourcen haben starke geopolitische und geostrategischen Bedeutung. Es ist wichtig Materialien im Land zu halten. Daraus ergibt sich die Frage: Wie muss ich etwas designen, damit ich am Nutzungsende die Materialien wieder herausbekommen kann?“
Energie und Wärme
Entsprechend wolle und müsse sich Haar für die Zukunft aufstellen. Bisher sei das Blockkraftwerk Eglfing die einzige Wärmequelle. Daher setzt Haar im Bereich der Energie und Wärmeversorgung unter anderem künftig auf Fernwärme. Erst vor kurzem schließen sich das Bayernwerk Natur GmbH (49 Prozent) und die Stadtwerke Haar GmbH (51 Prozent) zu einer neuen Wärmeversorgungsgesellschaft zusammen. Der Ausbau eines Wärmenetzes soll 2026 beginnen. Zum Bestandsnetz mit 10,5 km Länge entsteht ein Sekundärnetz mit möglichen Ringschluss. Dazu rechnet Haar mit der Geothermie aus der gemeinsamen Fördergesellschaft mit den Gemeinden Grasbrunn, Vaterstetten und Zorneding. Mitte 2026 soll Wasser sprudeln, möglichst heißes, das ab 2027 das Netz speisen kann. Wie hoch die Kosten liegen, stehe noch nicht fest: „Sie hängen von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem davon, wie heiß das Wasser aus dem Boden kommt und wie viel wir zuheizen müssten“, so Bukowski. Als weiterer Energielieferant ist die Freiflächen- Photovoltaikanlage in Salmdorf vorgesehen. Zwischen den Kollektoren können dann außerdem 50 Rinder „Lowline Angus“ grasen.
Unterschiedliche Vorstellungen
Die Zahlen geben es vor: Haar benötigt dringend weitere Kindertagesstätten. „Das Problem hat sich drastisch verschärft unter anderem wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine. Die vielen Kinder benötigen dringend Platz, um sich integrieren zu können“, macht Bukowski deutlich. Zudem gebe es nach Corona einen sprunghaften Anstieg der Integrationskinder mit besonderem Bedarf: „Damit müssen wir umgehen“, sagt Bukowski. Doch vor allem die ins Auge gefasste Kita am Wieselweg sorgt für große Kontroversen. Momentan sieht die Planung einen großen, ebenerdigen Bau in L-Form in hybrider Modulbauweise vor. Die Stadt spare so rund eine Million, da sie weder ein teures Treppenhaus noch einen Aufzug benötige, außerdem sei es pädagogisch wertvoller, argumentiert Bukowski. Davon wollen viele Menschen aus dem betroffenen Umfeld nichts wissen. Dem Viertel gehe eine wertvolle Grünfläche verloren, die Nachbarn ausgiebig für Freizeitaktivitäten nutzen. Inzwischen stehen rund 450 Unterschriften auf der Petition: „Rettet die Grünfläche am Wieselweg – Kita flächensparend bauen!“ Der Rat werde sich nun mit den Ideen mehrerer Anbieter auseinandersetzen. Bukowski geht aber auf den Vorschlag des Petitionsstarters Florian Stöckle ein, sich zu treffen und weitere Ideen anzuhören.
Weitere Projekte
Auch beim Jugendzentrum DINO am Wieselweg tut sich etwas. Hier soll ein kreislauffähiges Gebäude mit Wärmepumpe und Batteriespeicher, PV-Anlage und begrüntem Flachdach, das die Nutzung von Regen und Grauwasser für Urban Gardening auf einen Balkon ermöglicht. Alle verwendeten Materialien sollen am Ende der Gebäudenutzung zerstörungsfrei abzubauen und für den Neubau von Gebäuden verwendbar sein. Bereits bei der Planung sind die späteren Nutzer einbezogen. „Es soll quasi ein Labor für „Cradle to Cradle“ entstehen“, erklärt Bukowski. Bei der Leibstraße gehe es aktuell vom Vorentwurf zum nächsten Schritt, dem Entwurfsplan: „Im Sommer sollten wir dann die exakten Kosten vorliegen haben“, so Bukowski. „Die über neun Millionen Baukosten haben uns erst einmal umgehauen, aber wir bekommen viel aus der Städtebauförderung, die es ermöglicht. Die Chance ist einmalig. Anders als andere Töpfe ist der noch ziemlich voll. Viele Kommunen haben tatsächlich wegen klammer Kassen zurückgezogen, wir sind dabeigeblieben, davon profitieren wir jetzt“, stellt Bukowski fest. Die Leibstraße entschleunigt sich mit Tempo 20 und soll einen einheitlichen Straßenbelag bekommen. Das steigert die Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer. On top kommen flexible Flächen für Parkplätze oder freie Schankflächen. Nach dem Stockholmer- oder Schwammstadt- Prinzip sorgen Pflanzen auch bei Starkwasserereignissen für einen guten Abfluss. „Und das innovative Beleuchtungskonzept wird zu 60 Prozent gefördert.“ Die Umgestaltung des Bahnhofs und Busbahnhofs. mit unter anderem moderne Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, entspreche nicht den Wünschen der Stadt. Aber „30 Millionen haben wir nicht in der Tasche. Und der Clou, den wir mit dem Bahnhof, den wir dann vielleicht errichten können, ist: Hier haben wir volle Flexibilität. Wir können unseren Kiosk (module Holzbauweise) abbauen und woanders aufstellen.“ Derzeit liege der Plan in Berlin: „Hoffentlich nicht lange, aber wir benötigen nun einmal die Genehmigung der Bahn“, sagt Bukowski.
Umsicht und Beweglichkeit gefordert – Anzapfen, was geht
Nach wie vor sei eine strenge Planung und effizienter Umgang nötig. “Wir sind gut unterwegs, aber es reicht nicht.“ Die Stadt müsse alle Zuschüsse (beispielsweise für Kitas) beantragen, die Einnahmen seien nach wie vor zu gering. Der wichtige Einkommensanteil sei zu gering, da in Haar viele Mitbürger leben, „die nicht so viel leisten können“. Das mache die Gewerbeeinnahmen so wichtig. Zusätzlich belaste das Damoklesschwert der Kreisumlage die Stadt. Sie fällt zeitversetzt an und berechnet sich auch danach. „Daher berechnet sich das große Minus.“ Gewerbe nach Haar zu holen, gestaltet sich offenbar nicht einfach und konventionelle Büroflächen sowieso spätestens seit Corona kaum gefragt. In Summe stehen 28.700 in Haar leer, dazu kommen noch rund 1.200 Quadratmeter am Bahnhofsplatz und in der Hans-Stießberger-Straße. „Wir dürfen künftig nicht mehr nur für einen Gewerbetreibenden Bauten gestalten, sondern müssen flexibel gestalten“, folgert Bukowski. Für die 8,6 Hektar an der Wasserburger Straße laufe der Flächennutzungsplan. Die Stadt wolle festlegen, was sie im Vorfeld für etwaige Interessenten leisten könne, um möglichst bald Gewerbe ansiedeln zu können. „Es soll passen, allerdings müssen wir diverser werden“, fordert Bukowski und spricht das umstrittene Gewerbegebiet an der Blumenstraße an. Das soll unter anderem aus Kostengründen auf die gegenüberliegende Seite der Straße auf die Wiese wandern, zum Ärger vieler Anwohner, die die Grünfläche mit ihrem Rodelhügel retten wollen. „Die Emotionen kochen verständlicherweise hoch“, gesteht Bukowski zu: „Niemand versiegelt gerne Fläche, aber wir sind derzeit noch mitten im Verfahren.“
Was ist schwierig?
Trotz intensiver Sucher gibt es bisher keinen offiziellen Bewerber als Bademeister für das Freibad. Nur durch Glück und eine in Haar ansässige Tante, hört ein Bademeister von der Misere. Immerhin kann das Freibad bis in den Sommer rudimentär öffnen. Dann kommt Verstärkung aus den Hallenbädern. „Wer jemanden kennt, bitte gerne weitersagen“, ruft Bukowski auf. Genau beobachten wolle er die Situation im Arthotel : „Das war nicht die feine Art der Regierung von Oberbayern, wie sie vorgegangen ist. Sie haben das Hotel für Leute mit Aufenthaltsstatus angemietet.“ Wegen des nahen Freibads, befürchtet Bukowski ein mögliches „Spannungsfeld“.
Nachhaken der Zuhörer
In den abschließenden Publikumsfragen geht es beispielsweise Alfons Meindl um die Geothermie. Er sei skeptisch setze eher auf dezentrale Lösungen wie Wärmepumpen. Ob sich die Gemeinde vorstellen könne solche Lösungen zu unterstützen. Derzeit sei die INEV (Institut für nachhaltige Energieversorgung) damit beschäftigt herauszufinden, was in Haar Sinn ergebe, antwortet Bukowski. Gerlinde Rückert will wissen, wer Ansprechpartner für die Menschen im Übergangsheim sei, und verweist auf die vielen Menschen in Haar mit Migrationshintergrund, die in der Kommunikation helfen könnten. Eine Mutter spricht die mangelnden Deutschkenntnisse vieler Kinder in den Kitas an und wie herausfordernd es sei, wenn Personal Sprachunterricht leisten müsse. Ob es dazu Überlegungen gebe? „Das ist tatsächlich schwierig, weil das Personal oft genug selbst Deutsch nicht als Muttersprache spricht. Glücklicherweise bietet hier die Bürgerstiftung „Kindern eine Chance geben“ Unterstützung“, entgegnet Bukowski.
Für Sie berichtete Manuela Praxl.