Matthias Riedel-Rüppel, Intendant im Kleinen Theater, kämpft für die Kultur
120 ist das neue „voll“
Im Kleinen Theater Haar steht der Intendant des Hauses, Matthias Riedel-Rüppel, an der Tür, um jeden Besucher persönlich zu begrüßen und zu überprüfen: „Die Leute sind großartig und kooperativ, zeigen unaufgefordert den Impfausweis. Wir wollen nicht bis ins Detail filzen, es geht um gegenseitigen Schutz. Ich glaube, die Leute wertschätzen es, wenn wir mit einer Ernsthaftigkeit an das Thema herangehen“, sagt der Theaterleiter. So ist die Stimmung auch mit FFP2-Maske locker, das Publikum freut sich auf einen unterhaltsamen Abend mit Sissi Perlinger. Dennoch kommen zu den Vorstellungen, seit sie wieder möglich sind, im Durchschnitt nur etwa ein Drittel Besucher, der sonst üblichen Anzahl – 120 statt möglicher 350. „Im Grunde könnten wir voll machen, aber viele Leute sind noch sehr zurückhaltend“, resümiert Riedel-Rüppel, stellt aber fest: „Diejenigen, die den Weg zu uns finden, kommen mit großer Freude und Begeisterung. Letztendlich sind das alles erwachsene Menschen, die ihr eigenes Risiko ganz gut einschätzen können. Einige behalten im Saal die FFP2- Maske auf, um andere und sich selbst zu schützen. Das finde ich völlig in Ordnung.“
Todesstoß 2G plus
Matthias Riedel-Rüppel ist jemand, der sich der besonderen Situation, die seit beinahe zwei Jahren herrscht, jeden Tag aufs Neue stellen muss. Nicht einfach, wenn das Durchhaltevermögen bis zum Äußersten strapaziert ist und der Blick auf die täglichen Schreckensnachrichten der vierten Welle mit explodierenden Fallzahlen fällt. Die Verunsicherung in der Szene sei groß, dazu geselle sich die Unkalkulierbarkeit hinsichtlich der Besucher, wie sie mit möglichen weiteren staatlichen Vorgaben umgehen. „Es ist insgesamt eine beängstigende Situation, dennoch möchte ich die These der „Pandemie der Ungeimpften“ nicht pflegen. Wenn man aber mit Leuten aus dem medizinischen Bereich spricht, sind Geimpfte die besser geschützten Menschen.“ Bei einer Verschärfung der Regeln drohe für die einzelnen Künstler und Techniker das endgültige Aus: „Ich glaube, dass bei „2G plus” Theaterbesucher diesen „Kultur-Lockdown“ nicht mehr auf sich nehmen würden“, befürchtet Riedel-Rüppel. Wegen fehlender „Manpower” sei es auch nicht möglich, ein Testzelt vor das Theater stellen. Es gelte nun das Motto: „Alle, die wir nicht totgekriegt haben, schaffen wir diesmal“, kann sich Riedel-Rüppel Sarkasmus nicht verkneifen. „Ich sehe das alles sehr skeptisch“, so der Intendant und plädiert: „Die Entscheidung für das Tun muss ein Stück weit beim Einzelnen bleiben.“
Bereit für alle Fälle
Derzeit denke er nicht daran, die Notbremse zu ziehen. Vorstellungen von Michael Fitz, „Mama Bavaria“ Luise Kinseher, dem Tölzer Knabenchor und vielen anderen in den kommenden Wochen stehen fest auf dem Programm: „Wir schauen aber im Hintergrund, wie wir Sachen in den digitalen Raum umlegen können.“ Damit hat das Kleine Theater inzwischen große Erfahrung. Bis Mai, vor Öffnung der Außengastronomie und anderen Freiluft-Aktivitäten im Frühsommer bis in den Herbst, sind die Online-Angebote gut besucht: „Danach haben wir eine gewisse Streaming-Müdigkeit bemerkt. Bestimmte Formate werden wir wieder Hybrid anbieten, doch nur bei großer Nachfrage. Der technische und personelle Faktor ist einfach enorm“, sagt Riedel-Rüppel. „Zuerst dachten wir „Hauptsache spielen, spielen, spielen“, aber es gibt Grenzen. Wir müssen uns sehr genau fragen, wann es wirtschaftlich Sinn ergibt.“ Riedel-Rüppel hofft, das geplante Programm, wie vorgesehen, laufen lassen zu können, weiß aber nach 21 Monaten mit spontanen Öffnungen und Schließungen sehr genau: „Das kann sich von jetzt auf gleich ändern, wir sind vorbereitet.“
Als sei es nicht schon
schwierig genug…
Zur allgemeinen Pandemie-Erschöpfung gesellt sich vor kurzem noch der Ärger wegen zweier Einbrüche innerhalb von 14 Tagen: „Die Technik haben sie bis auf einen Laptop stehen gelassen, dafür die Tageseinnahmen aus der Gastronomie mitgenommen, insgesamt etwa 6.600 Euro“, erzählt der Leiter des Theaters und vermutet: „Offenbar verfügen die Täter über recht genaue Ortskenntnisse. Die Polizei ist sehr konsequent in ihrer Arbeit, aber wir sind dankbar für jeden Hinweis.“ Unterkriegen lässt sich Matthias Riedel-Rüppel, trotz aller Widrigkeiten, nicht: „Es gab zwischendurch Momente, da glaubte ich, dass es nicht weitergehen könne, aber es ging. Es geht immer irgendwie weiter.“
Für Sie berichtete Manuela Praxl.