Stimme gegen Vereinsamung und Zukunftsängste

Kategorie: Kinder & Jugend

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Tanja Probst und Daniel Haag, Sozialpädagogen im Jugendzentrum DINO, mit Praktikantin Catherina Schroell

Teenager sind mehr als nur Schüler

Sie leiden unter Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Antriebslosigkeit, entwickeln Depressionen, Angst- und Essstörungen bis hin zur Panik – Jugendeinrichtungen und Psychologen schlagen Alarm. Nach einem Jahr Ausnahmezustand Lockdown, der sich für Jugendliche wie eine Ewigkeit ohne Aussicht auf ein Ende anfühlt, wächst die Zahl der 12- bis 19-Jährigen stetig, die unter Stress-Symptomen leiden. „Ich fühle mich wie in einem Gefängnis, aus dem man nicht ausbrechen kann und egal, was man macht, wird man von Menschen böse angeschaut als wäre man ein Schwerverbrecher. Ich will meine Freiheit und Freund*innen.“ – Zwei Sätze auf einem Plakat, die unmissverständlich die seelische Not des jugendlichen Verfassers ausdrücken.

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Stimme der Jugend

„Stimme der Jugend“  ist eine Plakataktion von Kollegen aus verschiedenen Jugendzentren des Kreisjugendrings, wie das DINO oder das ZAP Ismaning, JKW Unterhaching, A 12 Oberhaching und Planet O Oberschleißheim. Die Einrichtungen wollen damit die Bedürfnisse von Heranwachsenden sichtbar machen. „Wir reden über überforderte Eltern, isolierte Senioren und entnervte Schüler. Aber hier geht es nicht nur um Schüler, sondern und vor allem um junge Menschen. Wir wollen ihnen eine Stimme geben, damit sie sich nicht mehr ignoriert fühlen.“ So befragen die Anlaufstellen in den letzten Wochen Jugendliche darüber, was ihnen am meisten fehlt. „Mir geht es zurzeit nicht wirklich gut, aber ich halte es noch aus“, „Flirten mit Maske kannste vergessen“, „Dass du nicht angemotzt wirst, wenn du mal einen Meter zu nah an einem stehst.“  Es sind kurze Sätze, die unter die Haut gehen und betroffen machen. Fünf Antworten hängen jetzt stellvertretend  in den Gemeinden an öffentlichen Schautafeln und dokumentieren die Sorgen, Wünsche und Gedanken der Jugendlichen. „Für die Plakataktion haben wir fünf ausgewählt, aber wir haben jede Stimme gesammelt, jeder kann sie auf www.stimmederjugend.de nachlesen“, erklärt Daniel Haag, Sozialpädagoge im Jugendzentrum DINO.

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Generation Corona

„Die Jugend ist die Phase, in der man sich abkapselt von den Eltern und genau da heißt es jetzt: „Nö, dürft ihr nicht.“ Die Jugendlichen verpassen die Chance, gesellschaftsfähig zu werden, denn sie können die so wichtigen Erfahrungen in ihrer Peergroup nicht sammeln. Wie sollen sie die Ressourcen bilden, die sie später brauchen?“ Im Jugendtreff DINO erlebt Sozialpädagoge Daniel Haag tagtäglich die Auswirkungen der Pandemie auf die Heranwachsenden, obwohl Gespräche nur unter strengsten Hygienemaßnahmen und auch nur jeweils mit einem Heranwachsenden erlaubt sind. „Projektarbeit schön und gut, Einzelbetreuung wunderbar, aber wir wollen die Qualität wieder, das niedrigschwellige Angebot: „Hey, kommt zu uns, wann ihr kommen wollt, ohne Vorgaben“, stellt auch Kollegin Tanja Probst klar, sie betrachtet die Entwicklung mit Sorge. „Unsere Jugendlichen sehnen sich so sehr nach ihren Freunden. Sie wollen sich nicht mehr fürchten, von der Polizei aufgegriffen zu werden, wenn sie rausgehen. Sie wollen Normalität und zu uns kommen, mit uns reden und das nicht nur Eins zu Eins, sondern mit ihren Freunden“, sagt die Sozialpädagogin.

Mehr als Schüler

Die Probleme der Jugendlichen sollen mit dieser Aktion in die Köpfe der Menschen eindringen, wünschen sich die Pädagogen. „Wenn die Leute daran vorbeigehen und es lesen, sollen sie damit die Jugend verbinden. Sie ist wichtig. Wir müssen aufhörten, nicht nur in der Kategorie Schüler zu denken. Denn die Jugend ist so viel mehr, das sind nicht die bösen Spreader“, fordern Tanja Probst und Daniel Haag. „Sie haben noch kein Wahlrecht und können somit politische Entwicklungen noch nicht direkt beeinflussen, aber sie haben Bedürfnisse, mit denen wir arbeiten möchten. Mit Glück schlägt das weitere Kreise und landet wirklich in der Politik.“

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Praktikum im Notbetrieb: Die Herausforderung während der Aus­bildung in der Pandemie

Catherina Schroell studiert Soziale Arbeit im vierten Semester an der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH) und steckt gerade in ihrem Praxissemester, für das sie sich den Jugendtreff DINO ausgesucht hat. Wo sich sonst Jugendliche drängen, sind die Räume seit Corona mehr oder minder verwaist. Nur einzeln dürfen die Jugendlichen das Haus betreten: „Man kann die Sinnhaftigkeit aus unterschiedlichen Perspektiven sehen“, überlegt die 24-Jährige laut und fokussiert sich auf die positiven Seiten. „Ich arbeite eigentlich schon seit drei Jahren im Jugendbereich und habe daher  Erfahrungen sammeln können. Erste Praktikantenerfahrung habe ich auch, daher kann ich jetzt hier einsteigen, als jemand, der schon erste Schritte gegangen ist.“

Stark eingeschränkt

Bis auf wenige Ausnahmen läuft es in Praktikastellen nicht so, wie es sonst üblich ist: „Es gibt wenige Bereiche, die weiterlaufen müssen, wie in der flexiblen Jugendhilfe, aber sonst ist alles auf Sparflamme.“ Der angehenden Sozialarbeiterin sind also wichtige Einsichten in ihr späteres Arbeitsumfeld nicht möglich. Dazu macht sich Catherina Schroell Gedanken, wie sehr ihre Ausbildung sich auf die eigene Gesundheit auswirken kann und den persönlichen Lebensbereich beeinträchtigt: „Du bist angehalten, die Kontakte soweit wie möglich in der Familie und mit Freunden einzuschränken, da ich ja hier immer wieder in Kontakt mit mehreren Menschen bin. Trotz der Hygienemaßnahmen muss man sich krass einschränken. Es bedeutet, dass man seine Familie wegen der Praktikums noch weniger sieht.“

Weniger ist nicht mehr

Catherina Schroell sieht dennoch nicht so sehr, was derzeit nicht geht, vielmehr möchte sie die Zeit trotz allem intensiv nutzen, um zu lernen, in einer solchen Situation arbeiten zu müssen: „Ich sehe meine Zukunft im Jugendbereich, es ist auf jeden Fall eine wertvolle Zeit.“ Allerdings habe sie Bedenken, wie es ihren Kommilitonen geht: „Die, die neu in einem Bereich anfangen, haben es wirklich schwer, zumal die KFH sagt, dass wir, so viel es geht, im Homeoffice machen sollen“, erläutert die junge Frau. „Die praktischen Bereiche, in denen man am Klientel dran sein kann und etwas mitbekommen und lernen soll, gehen einfach total flöten, das ist weg.“ Zu allem Überfluss dauern die Praxissemester nur noch 4,5 Monate: „Früher war es ein ganzes Jahr, dann wurde es auf etwa sechs Monate verkürzt und jetzt noch einmal. Gleichzeitig müssen wir jeden Fehltag nachholen, die schnell zusammenkommen, weil man wegen Corona schnell wegen Halsschmerzen zuhause bleibt.“ – Realität im Corona-Praktikum.

Für Sie berichtete Manuela Praxl.

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