Eine Stadt macht Platz und verhökert Kunst, Krempel und Co.
Trödeln vor der Haustür
Fast jeder Haushalt hat ihn – einen „Kram-Friedhof“ – meist im Keller oder auf dem Dachboden. Da lagern dann oft über Jahre Dinge, die noch „völlig ok“ sind und nur auf den Tag warten, an dem ihre Besitzer ihrem ziemlich tristen Dasein ein Ende machen, um deren Auferstehung feiern zu können. „Klar doch“ kommt irgendwann und „ganz bestimmt“ die während der Corona-Pandemie erworbene handbetriebene und originale Pastamaschine zum Einsatz, genauso wie das 10 000-teilige Perlenset für den pfiffigen, selbstgemachten Haarschmuck oder der üppigst ausgestattete Werkzeugkoffer für den ambitionierten Heimwerker-Beginner. Meist ist das längst nicht alles: Daneben gesellen sich Kisten mit dem gerade noch heiß begehrten und jetzt so peinlichen Spielzeug des Nachwuchses, das einmalige, späte 1970er Jahre Retro-Hippie-Service von Oma in einer interessanten Farbenmelange, ein handgestickter Malen-nach-Zahlen Gobelin von Tante Erna und gleich stapelweise Fitnessgeräte einschlägiger Discountmärkte. Nicht zu vergessen die unzähligen Fehl- und Frustkäufe, die Schränke einer besonderen Belastungsprobe aussetzen. Bereits darüber zu lesen, lässt Staub ansetzen.
Cash vor der Haustür
„Wohin also mit dem ganzen Kram?“, stellen sich nicht wenige die Frage und nehmen sich vor ihr Glück auf Flohmärkten oder einschlägigen Online-Börsen zu versuchen. Alles wegzuwerfen ist einfach keine Alternative. Doch das kostet Nerven und Zeit. Eine viel bequemere Variante bietet die Stadt Haar erstmal vor wenigen Wochen an und startet unter dem Motto “Flohmarkt dahoam” die “Haarer Trödelei”. Für die Mitmachenden heißt das: im besten Fall Bares und das sehr bequem. Statt in aller Herrgottsfrüh Kisten, Tische und Diverses ins Auto zu schleppen, dürfen sie ihre Ware vor der eigenen Tür anbieten. Da bleibt genügend Zeit für den dringend notwendigen Kaffee samt leckerem Croissant bevor es losgeht. Ein Angebot, das sich zahlreiche Haarer, aber auch viele in Ottendichl, Salmdorf und Gronsdorf nicht entgehen lassen. Meist zeigen drapierte Luftballons, wo es sich für Schnäppchenjäger lohnt, stehenzubleiben und nach Kuriosem, Kunst und Krempel zu suchen und um den Euro zu feilschen. Denn kaum etwas macht mehr Spaß als das subjektive Gefühl einen “Schnapper” gelandet zu haben. In manchen Straßenzügen finden sich gleich mehrere Stände oder bilden sich Mini-Flohmärkte wie im Jagdfeld. Besonders Radler scheinen im Vorteil, sie klappen vor der entsprechenden Hausnummer lediglich die Ständer aus und begutachten in aller Ruhe das Feilgebotene.
Stadt im Flohmarktfieber
Insgesamt scheint dieser erste Versuch einer Variante der bekannten Hofflohmärkte in München sehr gut anzukommen. Echte Kritik ist nicht zu hören, lediglich ein paar Verbesserungsvorschläge: „Vielleicht wären mehr zentrale Plätze wie im Jagdfeld eine gute Idee mit kleinen Flohmarktinseln, dann wäre das Parken der PKW auch kein so großes Problem“, schlägt eine Verkäuferin vor. Andere wünschen sich noch mehr Werbung im Vorfeld: „Das würde sicherlich noch mehr Leute locken.“ Fazit: Second Hand in Haar ist offenbar in – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Im Vorfeld melden sich über 260 Haushalte an: „Die Resonanz in der Bevölkerung war auch für uns überraschend”, heißt es von den Organisatoren aus dem Rathaus: “Sie haben sich quer durch die komplette Stadt angemeldet, ein Paradies für alle Flohmarkt-Gänger.” Die Nudelmaschine übrigens, hat ein neues Zuhause.
Für Sie berichtete Manuela Praxl.