Der medienbekannte Astrophysiker Harald Lesch erklärt die drastischen Folgen des Klimawandels und wirbt für saubere Energie.
Wie schaffen wir die Energiewende?
„Er ist real. Wir sind die Ursache. Er ist gefährlich. Die Fachleute sind sich einig. Wir können noch etwas tun.“ In nur 20 Wörtern oder fünf kurzen Sätzen, stellt der Astrophysiker, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator, Naturphilosoph und Hörbuchsprecher klar, wo die Menschheit steht, unabhängig von der persönlichen Weltanschauung. „Die Natur ist kein Parteimitglied, Klimawandel ist kein politisches Thema, es ist kein Thema der Naturwissenschaften. Natur läuft nach Gesetzen ab, die wir kennen. Und wir kennen auch die Folgen“, betont Lesch im nahezu voll besetzten Bürgerhaus.
Wir stecken mittendrin
Inzwischen weiß nahezu jedes Kind um den Anstieg des Meeresspiegels und das Abschmelzen des Eises an den Polen. Wie kaum ein anderer, erklärt Lesch allerdings tiefergehende und komplizierte Zusammenhänge verständlich, ob es um den Ursprung des Universums geht oder die globale Erderwärmung und die Folgen für die Menschheit. In seinem Vortrag beschäftigt sich Lesch mit dem derzeitigen klimatischen Zustand der Erde und dringend benötigten Lösungen. Als Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung Haar verzichtet Lesch auf Honorar und tritt für den guten Zweck auf. Seit rund 60 Jahren steigt die globale Mitteltemperatur stetig an. Das belegen allerorts Messinstrumente. 2025 ist sie bereits um 1,62 Grad wärmer. „Die moderne Erwärmung ist komplett menschengemacht und die Quellen sind bekannt“, sagt Lesch und warnt, wenn die Menschheit nicht handele, steuere sie direkt auf eine Katastrophe zu. Das sei nicht neu, denn schon jetzt bekomme sie die Auswirkungen durch die immer häufiger vorkommenden Starkwetterphänomenen zu spüren.
Apokalyptische Szenarien in absehbarer Zeit
Was ein weiterer Anstieg ohne Energiewende und entsprechende Schutzmaßnahmen aber konkret für die Menschen bis zum Ende des Jahrhunderts bedeuten kann, veranschaulicht Lesch. Wenn sich die Erde weiter in diesem Tempo erwärme, sinke der Ernteertrag in den tropischen Ländern, damit sei eine stabile Lebensmittelversorgung nicht mehr gewährleistet. Bereits in den kommenden 20 Jahren sei mit extremen Hitzewellen, Flut- und Dürrekatastrophen zu rechnen. Ab einem Plus von zwei Grad im Mittel, könne es wegen der enormen Hitze tödlich sein an einzelnen Sommertagen hinauszugehen und es bestehe ein hohes Risiko der Lebensmittelverknappung. Bis 2060 existiere die Wahrscheinlichkeit eines Temperaturanstiegs von 3.2 Grad, was zu Hungersnöten, Dürren und Krieg führen könne. Ab 2065 sei mit einem Plus von vier Grad zu rechnen, das jährlich für tödliche Hitzewellen sorge, hunderte Städte überschwemme und die meisten Ökosysteme zerstöre. Bereits Ende des Jahrhunderts sei mit einem Anstieg von fünf Grad zu rechnen, menschliches Leben an den meisten Orten damit unmöglich. Es bestehe eine Chance von fünf Prozent in diesem Bereich zu kommen, genauso liege die Chance unter 2,1 Grad zu bleiben, bei fünf Prozent.
Nicht irgendwann, sondern jetzt
Nach der Lancet Comission (interdisziplinäre Expertengruppe, die globale Gesundheitsfragen untersucht und wissenschaftlich fundierte Empfehlungen erarbeitet), bedeute die Erwärmung des Klimas die größte Bedrohung für die Gesundheit der Menschheit in diesem Jahrhundert. Was sich wohl kaum ein Leugner des Klimawandels klarmacht: Auch deren Kinder, die heute auf die Welt kommen, werden davon betroffen sein. Zu den direkten Folgen wie Dürren, Hitzewellen, Stürme und Fluten, indirekten wie schlechte Wasserqualität oder Luftverschmutzung und sozialen Faktoren wie Armut, Überlastung der Gesundheitssysteme und erzwungene Migration, kommen gesundheitliche Auswirkungen wie Unterernährung, psychische Erkrankungen, Allergien, Infektions- und kardiovaskuläre Erkrankungen.
Positive Auswirkungen neuer Wege
Lesch wirbt für die Energiewende, die eine weitgehende Unabhängigkeit sichere und für ein stabiles System sorge. Es stärke die regionale Wertschöpfung und wirke sich positiv auf die Gesundheit und Ökosysteme aus. Außerdem stärke es die Demokratie, wenn sich Interessensvertreter zu Bündnissen zusammenschließen. Es gelte Haltung und Verantwortung gegen das Verdrängen und Verleugnen einzunehmen, bekräftigt Lesch. Lösungen gebe es, wie Energiegenossenschaften, die gemeinsam Anlagen für Ökostrom finanzieren und betreiben. Der Gewinn fließe an die Mitglieder zurück. Oder der Ausbau von Solarenergie auf Gebäuden: „Lux fit electricae“ (dt.: „Es werde elektrisches Licht“) eint Lesch und zeigt das Bild einer Kirche mit Solarpanels auf dem Dach. Der Wandel von der fossilen Industrie- zur nachhaltigen Industriegesellschaft sein nötig, unterstreicht Lesch. „Clean Tech“ (Photovoltaik, Windkraft, Batteriespeicher) und deren Massenanfertigung seien der entscheidende „Gamechanger“, genauso sei die Elektrifizierung von Mobilität und Wärme Teil der Lösung. Nicht zuletzt spare das auch Milliarden von Brennstoffimporten.
Für Sie berichtete Manuela Praxl.