Bürgermeister Andreas Bukowski mit IKOS Verlagsleiter Heiko Schmidt im Jahresgespräch
Bürgermeister Andreas Bukowski im Jahresgespräch
Irgendwie ist das Jahrestreffen mit der Person im höchsten Amt der Gemeinde „the same procedure as every year“. Dennoch ist es in diesem Jahr irgendwie ganz anders, schon wegen der Masken, des Abstands und der Corona-Ampel im Zimmer. Nur wenige Wochen nach Beginn der Pandemie übernimmt Andreas Bukowski den Rathaus-Chefsessel und muss sich, wie jeder neugewählte Bürgermeister, zunächst zurechtfinden, neben dem „Business as usual“. Obendrein sieht sich der 41-Jährige, der „die Verantwortung nach Dienstschluss nicht abgibt“, mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Im Interview gibt er Einblicke in persönliche Sichtweisen, zieht Bilanz und blickt auf das, was ansteht.
Haarer Echo: Sind Sie schon im Rathaus und auf politischer Ebene angekommen?
A. Bukowski: Mittlerweile – wobei ich hier erfahrene Kollegen zitiere: „Man braucht die erste Amtsperiode, um anzukommen und auslernen tut man nie.“ Für mich war alles neu, aber ich wurde im Rathaus großartig unterstützt. Es ist ein gewachsener, funktionierender „Apparat“, klingt technisch, meint aber vor allem das Menschliche. Dem tollen Team geht es um das Gesamte, Projekte voranzubringen, Ideen auszutauschen. Es ist eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit. Inzwischen bin ich routinierter, was Sitzungen anbelangt. Anfangs wurde es mir nicht leicht gemacht, aber man lernt, dass man sich ein dickes Fell zulegen muss.
Nehmen Sie Dinge mit nach Hause?
Ja, aber das war schon immer bei mir so. Ich fühle mich umfassend verantwortlich, zuhause bewerte ich Projekte, Ideen und Gedanken noch einmal anders, für mich ist das die wertvollste Zeit.
Was ist 2020 auf den Weg gebracht worden?
Man muss versuchen, auch unter erschwerten Bedingungen, die Dinge voranbringen. Man kann sich das Ganze wie einen Schneehaufen vorstellen, der alles überlagert. Irgendwann schmilzt er ab und dann kommen die Dinge zu Vorschein, die getan werden mussten oder sollten. Aus meinem „100-Tage-Programm“ ist die Radlspur in der Leibstraße verwirklicht und in punkto Genossenschaftliches Wohnen tritt im Frühjahr eine Arbeitsgruppe zusammen, um mit einem Experten eine Ausschreibung zu entwickeln. Wir wollen dann Genossenschaften einladen und innerhalb des von uns gesteckten Rahmens auf den beiden Grundstücken (im Musikerviertel und Ottendichl) bis zu 45 Wohnungen auf den Weg bringen.
Außerdem sind wir auf das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) gestoßen, in dem wir mit Planern von der Regierung Oberbayern, die Leibstraße und den Bahnhof in einer Gesamtschau betrachten. Hier sollen zudem die Haarer zu Wort kommen, gerade die Bezugsgruppen, wie Händler oder Anwohner. Das dauert bis zur Entwicklungsreife, aber man bekommt bis zu 60 Prozent gefördert. Die Leibstraße 18 ist jetzt in unserem Besitz, neben den 4 Wohnungen in Bestlage, die wir dort kostengünstig anbieten können, ist dort ein neuer Laden möglich, ein kleiner Gastrobetrieb wäre schön oder ein Buchladen. Wir stehen da bereits in Kontakt und ich bin zuversichtlich, dass das in absehbarer Zeit klappt. Radfahrer und Fußgänger sollten sich genauso wohl fühlen, wie Leute, die mit dem Auto zum Geschäft fahren wollen. Sollte sich die Leibstraße zu einer Flaniermeile entwickeln, muss sie, ohne große bauliche Maßnahmen, umzugestalten sein. Am Bahnhof kommt die alte Pflasterung weg und wir werden uns über ein Angebot der Deutschen Bahn unterhalten, den Bahnhofskiosk zu erneuern. Ein Ladengeschäft ist schon da, jetzt geht es um die Toiletten, den Kiosk und die Radständer. Beim angedachten Schulcampus bietet sich der Standort westlich vom Sportpark an. Aktuell verhandeln wir mit den Grundstückseigentümern.
Wie sieht es bei den Pflichtaufgaben aus, also Grundschulen und Kinderbetreuung?
Entgegen der Prognosen haben wir deutlich weniger Schulkinder, sind daher für die nächsten Jahre hervorragend ausgestattet. Die neue Rektorin der Jagdfeldschule möchte bilinguale Klassen etablieren. Qualitativ ist die Schule wahrscheinlich die beste, die der Landkreis zu bieten hat. Bei der Kinderbetreuung wächst der Bedarf. Momentan analysieren wir, warum das so ist.
Wie steht es um die Finanzen der Gemeinde Haar?
Es sieht schlecht aus, das muss man so deutlich sagen. Ein wichtiger Gewerbesteuerzahler fällt weg und der reißt ein großes Loch in die Kassen. Das müssen wir auf mehr Schultern verteilen. Gerade sind wir in einem Markenentwicklungsprozess, schauen uns die Stärken von Haar an, bewerten sie, damit wir die Gemeinde zukünftig noch besser vermarkten können. Nur die Nähe zu München kann es nicht sein. Wenn sich ein Unternehmen hier wohlfühlt, dann verwurzelt es sich dauerhaft, das muss das Ziel sein. Bei der Gewerbeentwicklung soll der „Circular City“-Gedanke eine Rolle spielen, bei der Energie wollen wir komplett auf erneuerbar umstellen. Leider bringt uns das kurzfristig kein Geld, daher hätte ich gerne einen Wirtschaftsförder verpflichtet, der uns bei der Akquise unterstützt, geeignete Gewerbe zu finden. Ich war letztes Jahr sehr enttäuscht, dass nicht jeder Gemeinderat mitziehen wollte. Damit haben wir uns enorm geschadet. Jetzt bauen wir so etwas intern aus und müssen mit eigenen Ressourcen arbeiten.
Wie kommt die Digitalisierung in den Schulen voran?
Seitens der Schulen ist einiges passiert. Rund zehn Prozent der Schüler haben Leihgeräte, die schwierigen Fälle sind weitgehend abgedeckt. Wir sind aber noch weit weg, dass wirklich jeder Schüler ein Leihgerät zur Verfügung hat.
Was wünschen Sie sich für das bevorstehende Jahr?
Projekte weiterzubringen, vielleicht abschließen zu können. Ich wünsche mir, dass sich die Gemeinderäte an Leuten orientieren, die an der Sache interessiert sind und über den eigenen Schatten springen, wenn sie sehen: „Das die beste Lösung, egal wer die Idee hatte.“ Am Ende profitieren ja alle davon.
Das Interview führten Heiko Schmidt und Manuela Praxl.