Landrat Christoph Göbel zu Gast bei Matthias Riedel-Rüppel im DiensTalk

Kategorie: Kultur

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Matthias Riedel-Rüpel, Intendant Kleines Theater Haar im DiensTalk mit Landrat Christoph Göbel

In der Pandemie immer einen Schritt hinterher

Kommt schon in normalen Zeiten bei einem Landrat sicherlich kaum Langeweile auf, so packt die Pandemie eine ordentliche Schippe extra Arbeit zum täglichen Pensum, bestätigt Landrat Christoph Göbel im Gespräch mit Matthias Riedel-Rüppel im Kleinen Theater Haar. „Sicher beschäftige ich mich jeden Tag zwei Drittel mit Corona und den Aufgabenstellungen, die Übermächtigkeit des Themas ist deutlich.“ Dennoch ist der 46-Jährige einer, der seinen Blick eher auf die Habenseite richtet: „Ich glaube immer, dass die Dinge einen guten Weg nehmen und dass man alles dafür tun muss, sonst hat das alles keine Perspektive. Ich sehe aber auch die vielen Menschen, für die es nach diesem langen Zeitraum extrem schwer ist.“  Gerade Künstler seien gezwungen, „irgendeinen Job anzunehmen, um irgendetwas zu verdienen“, weiß Göbel. „Und jetzt kommen viele über Höchstgrenzen, können nicht  in der Künstlersozialkasse bleiben, sind auf einmal nicht mehr versichert, müssen das privat machen oder nachzahlen, da kommen viele in einer Sackgasse an.“ Einen Tropfen auf den heißen Stein bilden an dieser Stelle die Corona-Hilfen, die niedrigschwellig Unterstützung bieten sollen, so Göbel.

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Weite Grenzen

„Ich habe früher selbst Musik gemacht und kenne viele Künstler. Unumwunden gebe ich zu, dass mir Kunst, Geselligkeit und Kultur sehr fehlen“, meint der Landrat, für den Heimat vielmehr als ein bestimmter Ort, Tradition und Sprache ist: „Ich glaube, Heimat ist dort, wo unter anderem kulturelle Prägungen stattgefunden haben. Ich komme aus einer internationalen Familie mit britischen, holländischen und Schweizer Wurzeln und habe mit meiner aus der Mongolei stämmigen Frau Ochmaa die Welt über Europa hinaus kennengelernt. Das bereichert mein Leben und lässt meinen Horizont ganz weit verschieben.“ Überhaupt sei er ein Mann, der sich gerne mit unterschiedlichen Menschen umgibt: „Daher habe ich den Beruf ergriffen, ich bin kein großer Freund von Akten.“ Auch als Privatmensch fehlen ihm die Kontakte zu Freunden, die Interaktion in der Schule oder Kindergarten, Treffen mit der Familie: „Ich sitze gerne mit anderen im Restaurant. Selbst wenn ich sie nicht kenne, schaue ich Gästen gerne zu, das fehlt“, gibt der Vater zweier Söhne und einer erst wenige Monate alten Tochter zu. „Kinder toben, lachen, bewegen sich, sind kreativ, sie interagieren, ohne nachzudenken, daran kann man erkennen, dass der Mensch das irgendwo braucht.“

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Passiv statt aktiv

Eine Rolle für die Pandemie-Müdigkeit spiele außerdem der „ständige Reaktionsmodus“. „Es ist unbefriedigend, weil wir sehr viel lieber die Handelnden wären, die vorausschauend und aktiv Ideen entwickeln, um Herr der Lage zu werden.“ Das gestalte sich aber schwierig, meint der Rechtsanwalt: „Die rechtlichen und infektiologischen Rahmenbedingungen eines solchen Szenarios geben das nicht vor. Das hat etwas mit der Bundesebene zu tun, aber auch damit, dass niemand die Entwicklung einer Pandemie genau weiß.“ Es brauche in so einer Situation einen gewissen Gleichklang, speziell bei den zuständigen Behörden aller Ebenen: „Föderalismus kommt da einfach an seine Grenzen oder Leitplanken. Innerhalb der Grenzen ist trotzdem Flexibilität gewährleitet, um örtlich mit entsprechenden Maßnahmen reagieren zu können.“ Dazu kämen ständig Hürden, die scheinbar nur mit einer Glaskugel lösbar seien und jede Kalkulierbarkeit ausschließen und so Unzufriedenheit schüren. „Wir haben ein Impfzentrum mit perfekter Logistik am Start, aber der Impfstoff kommt nicht und wenn, dann kommt irgendeine Nachricht und der Impfstoff wird gestoppt. Dazu Fehllieferungen wegen unterschiedlichen Vorgaben, das alles macht den Prozess sehr mühsam“, bemängelt der Kommunalpolitiker. Zwar gebe es im Gesundheitsamt Ablaufpläne zu schwer ansteckenden Krankheiten, die seien aber schon in die Jahre gekommen, kritisiert der ehemalige Bürgermeister von Gräfelfing: „Zu Beginn der Pandemie stand da wirklich, dass bei einer Häufung bestimmter Krankheiten, Meldungen per Faxgerät zu erfolgen haben. Das einzige Faxgerät, das wir im Landratsamt noch benutzen, steht im Gesundheitsamt.“ Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was passiert, wenn hunderte Meldungen in einem völlig überalterten Gerät eingehen: „Da verzweifelt Technik und Mensch. Bis wir es geschafft haben, die Welt des Faxgeräts in die Welt elektronischer Nachrichten zu bringen, hat wirklich lange gedauert.“  Ein kleiner „Fun Fact“ am Rande: Das Faxgerät tue bis heute seinen Dienst im Gesundheitsamt, erzählt Göbel ein wenig kopfschüttelnd: „Weil es Krankheiten gibt, die immer noch durchgefaxt werden.“

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Der richtige Ton macht´s

Mit sachlicher Kritik kann der gestandene Politiker umgehen, er schätzt den Austausch, vor allem wenn gute Anregungen dabei sind. „Allerdings habe ich mir schon lange abgewöhnt, in Interaktion zu treten, wenn ein gewisses Niveau unterschritten wird.“ Verständlich sei für ihn der Unmut vieler, hinsichtlich der Maßnahmen. „Wir dürfen unser Rechtssystem nur in sehr grenzwertigen Ausnahmesituationen bewegen. In diesem Fall ist es die hohe Infektionsgefahr bei Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen ohne Abstand. Das muss ich unterbinden, unabhängig, welcher Wert davon betroffen ist.“ Der Verhältnisgrundsatz erfordere das, so der Jurist. Allerdings sei der Mensch keine Maschine: „Er lebt von der Zusammenspiel mit anderen Menschen. Neben den Grundbedürfnissen braucht er etwas kulturell Befriedigendes zu tun. Wenn er das hat, ist er sogar bereit, Einschränkungen in anderen Bereichen eher zu akzeptieren.“

Bildung in den Fokus rücken

Obwohl ihn die Pandemie auf Trab hält, verliert Christoph Göbel sein großes Thema „Bildungspolitik“  nicht aus den Augen. „Wir müssen akzeptieren, dass Bildung der einzige, vielleicht wichtigste Rohstoff ist, den wir haben.“ Die gehe viel weiter, als die ausschließliche Wissensvermittlung, um „irgendwelche Prüfungen zu bestehen“. Daher stelle es infrastrukturell einen großen Wert dar, breit aufgefächerte Bildungsangebote ortsbezogen bereitzustellen. „Dafür nehmen wir viel Geld in die Hand. Je mehr, desto besser, je vielfältiger, desto interessanter“, sagt Christoph Göbel: „Wir waren mal das Land der Dichter und Denker, darauf dürfen wir stolz sein. Ich fände es ganz gut, wenn wir da wieder ein wenig anschließen.“

Für Sie berichtete Manuela Praxl.

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