Den Doktortitel kurz vor dem 86. Geburtstag im Juli: Dr. Tom Werneck.
Mit 85 die Doktorwürde
Es hat etwas vom „Großen Preis“ seines ganz persönlichen „Spiel des Lebens“. Und das Schönste: ausnahmslos alle freuen sich mit dem glücklichen „Gewinner“. Nicht wenige der rund 30 Gäste im Kleinen Saal des Rathauses sind stellenweise zu Tränen gerührt. „Es ist ein Festakt, der älteste Promovend im Freistaat Bayern. Nichts daran ist selbstverständlich“, beginnt Veronica Biermann, Prorektorin für Wissenschaft und Forschung, und Professorin für Design- und Architekturgeschichte an der Burg Giebichenstein von der Kunsthochschule Halle die Laudatio für Tom Werneck: „Weder der Festakt noch die abgeschlossene Promotion noch das Alter des Herrn Doktor. Und auch nicht, dass ich als Doktormutter hier stehen darf, um einen „Sohn“ zu würdigen, von dem ich nicht im Traum gedacht hätte, ihn jemals zu bekommen.“
Das Beste kommt noch
I85 beachtliche Lenze zählt der ehemalige langjährige Leiter des Bayerischen Spielearchivs, Gründungsmitglied der „Spiel des Jahres”-Jury und Initiator der Spieleerfindermesse. „Ich weiß selbst, was es bedeutet und welchen Willen es benötigt“, zeigt sich auch Bürgermeister Andreas Bukowski tief beeindruckt. „Normalerweise macht man das ja in einem Alter, in dem man die Karriere noch Jahrzehnte leben will.” Das wünsche er Tom Werneck natürlich auch, so Bukowski zuversichtlich: “Unsere älteste Bürgerin ist kürzlich im Alter von 106 Jahren verstorben. Tom, insofern hast du noch eine tolle Zukunft vor dir. Wer dich kennt weiß, dass das nicht der End- sondern vielmehr der Ausgangspunkt für Neues ist.“
Das große Fragezeichen
Nur ganz wenige Kunsthochschulen mit Promotionsrecht, die einen Dr. phil. vergeben können, verfügen über eine Klausel, die einen Spielraum gewähre, den andere Unis nicht haben. Dabei handele es sich um die sogenannte „Begabtenklausel“, erklärt Biermann und erinnert sich an die erste Begegnung mit Tom Werneck: „Als er eines Tages freundlich lächelnd in meinem Büro mit einem Buch mit Luftbildaufnahmen stand und der Idee eine Doktorarbeit über Brettspiele als Kulturgut schreiben zu wollen, da war ich ein wenig überrascht, erstaunt, auch skeptisch und in jedem Fall perplex. „Hä? Eine Doktorarbeit? Und wieso zu Brettspielen?“, dachte ich.“
Was lange währt kann der Auftakt für mehr sein
Aus den zögerlichen Anfängen, mit dem nervenzehrenden Themenfindungsprozess, resultiert schließlich eine „solide Doktorarbeit“. Der erste Arbeitstitel: „Das analoge Spiel – Trivialität des Alltags oder Kulturgut? Variation einer Kulturvermittlung“ ist längst Vergangenheit, die Dissertation trägt heute den Titel: „Spiele im Wandel. Die Evolution des modernen Brettspiels in Deutschland 1949 – 2000: eine Bestandsaufnahme.“ Der Weg von der mit Enthusiasmus vorgetragenen Idee hin zu einer ernstzunehmenden wissenschaftlichen Arbeit, sei gar nicht so einfach gewesen. Ja, Spiele seien ein bisschen trivial und ja ein wenig alltäglich, gibt Biermann zu „aber natürlich sind sie Kulturgut. Von daher bin ich froh, dass Tom Werneck bei mir in der Tür stand und glücklich, dass er sich auf Kritik und wissenschaftliches Arbeiten eingelassen hat.” So sei nicht nur ein Wissensfundus erschlossen, der “maßgeblich mit der Person und buchstäblich mit dem Leben Tom Wernecks verbunden ist.” Dr. Tom Werneck habe „ein wichtigeres Phänomen bundesrepublikanischer Geschichte und die „Bedeutung dieser alltäglichen Artefakte“, die oft ein wichtiges Zentrum in Familien- und Freundeskreisen“ darstellen, unter die Lupe genommen. „Es ist gut, wichtig und notwendig, dass endlich eine Arbeit vorliegt, die das analoge Brettspiel aus dem Schattendasein des vermeintlich Selbstverständlichen und Unterbewussten ins Zentrum gerückt hat“, erklärt Biermann: „Es weiter zu erforschen – dazu sei hier ausdrücklich ermuntert.“
Viel Freiheit innerhalb von Grenzen
Der frisch gebackene Doktor lacht rückblickend über seine ersten vorgetragenen Gedanken für eine Doktorarbeit: „Wenn ich an ihrer Stelle gesessen wäre, hätte ich wohl gesagt: „Mit diesem verquasten Zeug kannst du abschwirren.“ Seine Doktormutter könne seine Tochter sein, meint Werneck amüsiert: „Das ist eine wunderbare Verdrehung der Geschichte, aber ich bin geleitet worden an einer sehr, sehr langen Leine und sie hatte Geduld. Und dann kam der letzte Schock: kürzen auf 500 Seiten.“ Heute ist Werneck glücklich über die Limitierung auf den Zeitraum zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs bis 2000. „Ursprünglich hatte ich im Kopf es bis heute zu machen. Aber das wären dann wohl 2700 Seiten lang.“
Ein besonderes Geschenk
Während der gesamten Zeit kann Werneck insbesondere auf zwei befreundete Professoren zählen. „Karin Falkenberg und Jens Junge haben mich immer wieder gepusht und gesagt: „Du kannst das!“. Allerdings gebührt der wichtigste Dank meiner Frau Margot, die es mit einer Schafsgeduld ertragen hat, dass ich unendlich viel nicht da war“, so Werneck und rück seinen Hut zurecht: „Als ich meine Doktormutter das letzte Mal gesehen haben, hat sie mir zum Abschied ein Päckchen in die Hand gedrückt und sagte: „Mach´s erst auf, wenn du zuhause bist.“ Das habe ich auch gemacht und war ganz gerührt, als ich dann den Doktorhut entdeckte.“
Für Sie berichtete Manuela Praxl.