„Lassen sie sich niemals weiterverbinden, denn dann landen sie bei einem Komplizen. Immer selbst anrufen!“ Stephan Jochim, Polizeihauptkommissar und stellvertretender Inspektionsleiter der Polizeiinspektion 27 Haar.
Legen Sie auf! Gesundes Misstrauen schützt
Mama, Mama ich habe jemanden totgefahren. Ich muss ins Gefängnis, wenn du keine Kaution hinterlegst. Warte, ich gebe dir jetzt die Polizei.“ Völlig aufgelöst und verzweifelt schluchzt die Anruferin ins Telefon und versetzt damit Gertud einen gehörigen Schreck. „Manuela bist du das?“, fragt die 81-Jährige unsicher. In diesem Moment schnappt eine böse und arglistige Falle zu, warnt Stephan Jochim, Polizeihauptkommissar und stellvertretender Inspektionsleiter der Polizeiinspektion 27 Haar auf dem Seniorennachmittag im bis auf den letzten Platz gefüllten Bürgerhaus unmissverständlich vor sogenannten und inzwischen bekannteren “Schockanrufen“. Doch trotz steter Warnungen und der Aufklärungsarbeit der Polizei, gelingt es den Tätern nach wie vor arglose Menschen zu täuschen und sie um ihre gesamten Ersparnisse und andere Wertgegenstände zu bringen.
Vorsicht: Neue Masche!
Eine weitere äußerst niederträchtige Variante der Anrufe tritt seit geraumer Zeit immer häufiger auf. Auch dabei geht es um nahe Verwandte, allerdings erhalten Angerufene keinen Kontakt mehr zum vermeintlichen Kind oder Enkelkind. Am Telefon melden sich angebliche Krankenhausmitarbeiter oder Ärzte. Jochim imitiert den ungefähren Ablauf eines solchen Anrufs: „Grüß Gott mein Name ist Huber, ich bin Arzt im Klinikum Bogenhausen, ihr Kind ist bei uns in Behandlung.“ Eine eventuell dann folgende Nachfrage des Angerufenen, ob es sich um „Fritz, Renate oder Andreas“ handle, gebe den Betrügern alles weitere in die Hand, betont Jochim. Täter versetzen ihre Opfer bewusst in einen emotionalen Ausnahmezustand, um an Informationen zu kommen. Die sind im Anschluss hilfreich, um einen weiteren, glaubhaften Gesprächsfaden zu spinnen und so leichtes Spiel zu haben: „Ja, es geht um Fritz. Wir haben kurzfristig eine wahnsinnig starke Krebserkrankung diagnostiziert. Für die spezielle medikamentöse Behandlung brauchen wir akut viel Geld, weil sie von der Kasse jetzt nicht, sondern erst später übernommen wird.“
Schamlos, niederträchtig, böswillig
Es sei besonders heimtückisch so vorzugehen, schließlich handle es sich bei Ärzten, Polizisten, Bankangestellten und ähnliche Berufsgruppen um Vertrauenspersonen, verdeutlicht Jochim. „Auf diese Weise werden richtig hohe Summen abkassiert. Hier geht es schnell um 20 000, 30 000 und deutlich mehr Euro, die auf die Schnelle an irgendeinen Abholer übergeben werden.“ Wie die Betrüger mit potenziellen Opfern in Kontakt kommen, sei kein Hexenwerk: „Sie gehen die Telefonbücher durch und konzentrieren sich auf Namen, die eher Senioren zuzuordnen sind. Elfriede oder Werner sind Namen, die in den jüngeren Generationen kaum vorkommen. „Lassen sie den Namenseintrag aus dem Telefonbuch streichen. Das ist ein erster Schritt, um sich wirksam zu schützen.“ Für die Täter der Callcenter-Betrüge seien Telefonanrufe ein Vollzeit-Job, erläutert Jochim: „Die machen nichts anderes, rufen mehrere Hundert Menschen pro Tag an. Und wenn sie bis zum 495sten kein Glück hatten, beim 496ste funktioniert es. Den erwischen sie auf dem empfindsamen Fuß, weil vielleicht gerade sein Kind von ihm losgefahren ist und der hat vielleicht obendrein das Geld zuhause.“ Schnell gehen dann „zig Tausende über den Tisch“, häufig noch andere Wertsachen wie Goldbarren. Das sei für die Täter ein äußerst lukratives Geschäft. Tatsächlich sei der Sparstrumpf zuhause ein großes Problem, betont Jochim: „Wir staunen schon, dass manche Menschen 50.000 Euro zuhause liegenhaben.“
Zeit schinden und unbequem sein!
Jochim will das Bewusstsein schärfen für Anrufer, die zunächst schlimme Nachrichten überbringen und schon nach kurzer Zeit Geld- und Wertsachen fordern: „Auflegen, auflegen und noch einmal auflegen“, wiederholt Jochim gebetsmühlenartig. Das sei der beste Schutz, um sich gegen Betrug zu wehren: „Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit!“ Die Unsicherheit vieler Menschen, wie sie angesichts der raffinierten und hinterhältigen Vorgehensweise, echte Anliegen von versuchten Betrugsdelikten unterscheiden zu können, ist groß, weiß Jochim. Dabei gelte eine wichtige Regel: „Wer sich für Täter unbequem macht, schützt sich! Die Betrüger wollen ohne Probleme in kurzer Zeit an viel Geld. Wenn sich eine Schwierigkeit auftut, lassen sie ab und suchen sie sich lieber jemanden, wo es glatt läuft.“ Das gelte auch an der Haustüre. Taucht dort ein nicht angemeldeter Handwerker oder Polizist auf, sei es wirksam sich den Dienstausweis zeigen zu lassen, die Tür zu schließen und die 110 anzurufen und nachzufragen.“ Das gelte allgemein bei geringsten Zweifeln an der Echtheit eines Anrufers: „Sagen sie so etwas wie: „Ich habe meine Zweifel, aber ich habe mir ihren Namen notiert und ich weiß, wo sie sind. Ich rufe jetzt bei der 110 an und überprüfe das, dann sollte ich sie ja wieder erreichen können.“ Dann gilt: Ohne weitere Diskussion konsequent auflegen“. Auf diese einfache Weise kläre sich die Sache schnell auf, so Jochim: „Lassen sie sich niemals weiterverbinden, denn dann landen sie bei einem Komplizen. Immer selbst anrufen!“
Keine falsche Scham!
Für den erfahrenen Polizeihauptkommissar Stephan Jochim zählen „Callcenter“- Betrüge an Senioren zu den „dreckigsten Delikten“, daher werde er nicht müde aufzuklären und Fragen zu beantworten und schärft abschließend ein: „Wählen sie die 110. Die Polizei komm lieber zweimal umsonst als einmal zu spät.“
Geben Sie dem Betrug und bösen Absichten keine Chance – nicht am Telefon, nicht an der Haustür! Hier die wichtigsten Tipps von Polizeihautkommissar Stephan Jochim:
1. Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit! Lassen Sie sich NICHT unter Druck setzen und NICHT einschüchtern. Das ist Teil der Masche. Lassen Sie sich KEINE Schweigepflicht aufdrängen!
2. Rufen Sie unbedingt SELBST die 110 an und hinterfragen unerwartete Anrufe. WICHTIG: LEGEN SIE VORHER SELBST AUF!
3. Die Polizei ruft niemals mit der 110 im Display an!
4. Die Polizei oder Staatsanwaltschaft fordern NIEMALS Überweisungen oder die Herausgabe von Bargeld und Wertgegenständen.
5. Übergeben Sie NIE Geld oder Wertsachen an Unbekannte!
6. Lassen Sie Ihren Eintrag im Telefonbuch streichen!
7. Wenn Ihnen etwas verdächtig vorkommt, rufen Sie SOFORT die 110. Wir kommen lieber zweimal umsonst als einmal zu spät!
Isabell Schöltzky Polizeihauptmeisterin und Stephan Jochim, Polizeihauptkommissar und stellvertretender Inspektionsleiter der Polizeiinspektion 27 Haar, warnt vor allem Senioren vor den „dreckigsten Delikten an Senioren.“
Für Sie berichtete Manuela Praxl.












